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Der Rhein bei Neuenburg

Historische Entwicklung

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Rhein zwischen Basel und Mannheim den Charakter eines ausgesprochenen "Wildstromes". Der Fluss erstreckte sich auf eine natürliche Breite von 2 bis 3 km und war in unzählige Arme gespalten, die ständigen Veränderungen unterworfen waren. Im Jahre 1825 wurden in diesem Abschnitt mehr als 2000 Inseln verschiedenster Größen gezählt.

Peter Birmann, Blick vom Isteiner Klotz rheinaufwärts gegen Basel, um 1819 Kunstmuseum Basel Blick vom Isteiner Klotz Basel um 1819 Peter Birmann, Blick vom Isteiner Klotz rheinaufwärts gegen Basel, um 1819 Kunstmuseum Basel

Bei Neuenburg floss der Rhein in der Furkationszone (lat. furca: Gabel) des Stromes aufgrund geringen Gefälles in vielen parallelen Wasserarmen talwärts. Bei Hochwasser verlagerten sich diese Stromarme immer wieder neu, teilten sich, nahmen durch die Erosion Land mit und schufen ständig neue Inseln und Kiesgeröllflächen. Hochwasser schwemmten regelmäßig bestes Ackerland weg und brachten Mensch und Tier in ständige Gefahr. Im schlimmsten Fall wurden Dörfer durch Hochwasser weitgehend zerstört und mussten durch ihre Bewohner andernorts wiederaufgebaut werden. Infolge der Überschwemmungen traten in der in der Rheinlandschaft markanten Sumpfgebieten des Öfteren Krankheiten und Seuchen auf. Aufgrund des sich ständig verändernden „Wildstromes“ und den damit im Zusammenhang stehenden starken Wasserstandschwankungen fand bis zum 19. Jahrhundert oberhalb von Straßburg keine nennenswerte Schifffahrt statt.

Prospekt der Stadt Neuenburg aus der Topographia Alsatiae, & c. Completa von Matthäus Merian, ca. 1660, in: Topographia Germaniae Neuenburg 1660 Prospekt der Stadt Neuenburg aus der Topographia Alsatiae, & c. Completa von Matthäus Merian, ca. 1660, in: Topographia Germaniae

Bereits vor dem 19. Jahrhundert wurden wasserbauliche Maßnahmen am Rhein zur Abwendung der Überschwemmungsgefahr von Städten und Dörfern und damit eine Kultivierung des Tals durchgeführt. Ein durchgreifender Erfolg blieb jedoch aus, da es sich um Einzelaktionen handelte, die nicht zuletzt durch die Zersplitterung des deutschen Gebietes am Oberrhein bedingt waren. Häufig nutzten die wasserbaulichen Maßnahmen der ausführenden Gemeinde, schadeten aber der gegenüberliegenden Seite. Die Verlagerung von Inseln und Landflächen führten häufig zu Grenzstreitigkeiten zwischen Baden und Frankreich. Es fehlte an einem ganzheitlichen und länderübergreifenden wasserbaulichen Plan, bis Johann Gottfried Tulla daranging, dies zu ändern.

Die Rheinkorrektion

Mit der Bildung des Landes Baden 1803 - 1806, die das rechtsrheinische Gebiet zwischen Basel und Mannheim unter eine einheitliche staatliche Hoheit brachte, gelang es dem badischen Ingenieur und Oberst Johann Gottfried Tulla alle beteiligten Staaten für sein Projekt einer umfassenden Korrektion des Oberrheins zwischen Basel und der hessischen Grenze zu gewinnen.

Badischer Ingenieur und Oberst Johann Gottfried Tulla  (1770 – 1828) Gottfried Tulla Badischer Ingenieur und Oberst Johann Gottfried Tulla (1770 – 1828)

Die anschließenden Verhandlungen über eine Korrektion des Rheins zwischen Baden und Frankreich mündeten am 05. April 1840 in einen Staatsvertrag, der die Korrektionsarbeiten und die Neufestsetzung der Landesgrenze regelte. Bereits 1817 hatte Tulla erste Durchstiche bei Karlsruhe durchgeführt, deren Erfolg sich nach den ersten Hochwassern zeigte. Alle Ortschaften an den Durchstichen blieben von Überschwemmungen verschont. Skeptiker unter den Anwohnern und Gelehrten waren nun von der Wirksamkeit von Tullas Plänen überzeugt.

Tulla verstarb am 27.03.1828 in Paris, und konnte das Jahrhundertprojekt selbst nicht ausführen. Die Rheinkorrektion wurde von seinen Nachfolgern nach seinen Plänen weitergeführt. Das letzte Teilstück der Korrektion (Rektifikation) war der Abschnitt von Istein, der 1876 fertig gestellt werden konnte.



Die Rheinkorrektion war ein reine Maßnahme der Landeskultur (Melioarationswerk) und diente hauptsächlich der Landgewinnung, dem Hochwasserschutz sowie der Verminderung von Seuchen und anderen Krankheiten. Zugleich wurde erstmals eine exakte und beständige Grenzziehung möglich. Die Belange der Schifffahrt waren zu damaliger Zeit nicht Bestandteil der Überlegungen.

Historische Karte 1838 Lauf des Rheins Historische Karte 1838


Die Bauarbeiten zur Rheinkorrektion wurden im Wesentlichen nach den Plänen Tullas in der Zeit von 1817 bis 1876 durchgeführt, mit denen die uns heute vertraute Form des Rheinlaufs mit einem nur mäßig gekrümmten, geschlossenen Bett von 200 bis 250 m Breite geschaffen wurde. Durch die Zusammenfassung des weit verzweigten Gewässers in ein geschlossenes Flussbett und die Einschränkung des oft kilometerbreiten Hochwasserabflussgebietes durch Hochwasserdämme wurden die Abflussverhältnisse und damit der Schutz vor Hochwassergefahren und somit vor Seuchenplagen erheblich verbessert. Die Korrektion erlaubte eine zunehmende Besiedlung und ließ weite Gebiete landwirtschaftlich nutzbar machen.

Die Rheinkorrektion ermöglichte am Oberrhein erstmals die Schaffung einer andauernden grenzüberschreitenden Infrastruktur. So wurden ab 1875 zwischen Baden und dem Elsass mehrere schwimmende Schiffbrücken gebaut. An beiden Rheinufern wurden für die Rheinübergänge Zugangsstraßen und Gebäude für den Betreib und die Unterhaltung der Schiffbrücken gebaut. Eine dieser Schiffbrücken entstand zwischen Neuenburg und Chalampé.

Der Übergang wurde durch die Schaffung fester Ufer durch die Rheinkorrektion möglich. Kam ein Schleppverband in Sichtweite, wurden Teile der Brücke für die Passage der Schiffe aus der Brücke gelöst. Die Schiffbrücke zwischen Neuenburg und Chalampè Der Übergang wurde durch die Schaffung fester Ufer durch die Rheinkorrektion möglich. Kam ein Schleppverband in Sichtweite, wurden Teile der Brücke für die Passage der Schiffe aus der Brücke gelöst.


Nach dem Bau des Rheinseitenkanals war nicht mehr genügend Wasser für einen Fährbetrieb im Restrhein vorhanden. Zwischen 1961 und 1963 wurde deshalb die Straßenbrücke neben der seit 1878 bestehenden Eisenbahnbrücke gebaut. Seither wird der Straßenverkehr zwischen Neuenburg und Chalampé über diese Straßenbrücke abgewickelt.

Die Rheinregulierung

Infolge der Entwicklung der Großschifffahrt mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt waren die Länder am Oberrhein bestrebt, einen besseren Wasserstraßenanschluss zum Meer zu erhalten.

Die Tulla’sche Rheinkorrektion war zweifelsohne für den Hochwasserschutz am Oberrhein erfolgreich, konnte jedoch die Bedingungen für die Schifffahrt nicht durchgreifend verbessern.

 Bei niedrigeren Wasserständen wurden sog. Windenschiffe eingesetzt, um die Schiffe über die  Isteiner Schwellen zu ziehen. Erst mit dem Bau des Rheinseitenkanals konnte das Hindernis umschifft werden. Dampfschifffahrt an der Isteiner Schwelle (bis 1932). Diese Felsschwellen waren das größte Hindernis für die Schifffahrt auf der Fahrt nach Basel. Bei niedrigeren Wasserständen wurden sog. Windenschiffe eingesetzt, um die Schiffe über die Isteiner Schwellen zu ziehen. Erst mit dem Bau des Rheinseitenkanals konnte das Hindernis umschifft werden.

Vielmehr verursachte die damit verbundene Verkürzung des Rheinlaufes von rd. 14 % von Basel bis zur Mündung der Murg erhöhte Fließgeschwindigkeiten. Die bis dahin großflächige Seitenerosion über den gesamten Flussquerschnitt wurde in eine zunehmende Tiefenerosion im 200 bis 250 m breiten Flussbett umgewandelt. Innerhalb des Korrektionsbettes wanderten erhebliche Geschiebemengen, die sich zeitweise in Form von Bänken und Inseln ablagerten, so dass für die Schifffahrt keine einheitliche Lage und Mindesttiefe der Fahrrinne vorhanden war. Damit die Großschifffahrt südlich von Mannheim mit diesen Schwierigkeiten nicht weiterkämpfen musste, entschied einer der Nachfolger Tullas, der badische Oberbaudirektor Honsell, eine Rheinregulierung um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert zu planen.

Die Rheinregulierung beinhaltete den Bau von sog. Regulierungsbauwerken wie Buhnen und Leitwerke innerhalb des Stromes. Rheinregulierung Die Rheinregulierung beinhaltete den Bau von sog. Regulierungsbauwerken wie Buhnen und Leitwerke innerhalb des Stromes.

Die Rheinregulierung beinhaltete den Bau von sog. Regulierungsbauwerken wie Buhnen und Leitwerke innerhalb des Stromes. Durch die Strömung und unter Mithilfe umfangreicher Baggerarbeiten wurde so im Laufe von Jahrzehnten eine durchgehende Fahrrinne für die Schifffahrt geschaffen.

Die in der Zeit von 1907 bis 1956 durchgeführte Regulierung war ein großer Erfolg und die Großschifffahrt konnte ununterbrochen bis Basel betrieben werden. In der Folge nahm die Rheinschifffahrt zwischen Basel und Mannheim einen erheblichen Aufschwung, Industrie und Handel entlang der Wasserstraße blühten und auch die Häfen oberhalb Mannheims gewannen zunehmend an Bedeutung.

Der Rheinseitenkanal

Die dritte Periode nach der Rheinkorrektion und der Rheinregulierung ist gekennzeichnet durch die Nutzbarmachung der Wasserkräfte und die weitere Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse am Oberrhein und gliedert sich in drei Bauabschnitte: die Realisierung des Rheinseitenkanals, die Schlingenlösung und den Bau der Staustufen Gambsheim und Iffezheim mit jeweils in einem Querbauwerk im Rheinbett.

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Erzeugung und besonders die Fortleitung der elektrischen Energie auf große Entfernungen möglich wurde und das Kraftwerk Rheinfelden am Hochrhein 1898 in Betrieb ging, entstanden auch Pläne für die elektrische Nutzung der Wasserkraft am Oberrhein. Nach Beendigung des 1. Weltkrieges gab der Versailler Vertrag mit Artikel 358 Frankreich das ausschließliche Recht auf die zwischen Basel und Lauterburg erzeugte Energie. Gestützt auf diese Bestimmung legte Frankreich der Zentralkommission für Rheinschifffahrt 1921 den Entwurf eines Seitenkanals zum Rhein von Hüningen (nördlich von Basel) bis Straßburg - den Grand Canal d'Alsace - vor, der die Gewinnung elektrischer Energie über acht Staustufen vorsah.

Die Bauarbeiten für den Rheinseitenkanal begannen 1928 mit der Errichtung des Rheinwehres bei Märkt etwa 5 km unterhalb der deutsch-schweizerischen Grenze.

Mit dem Bau der Staustufe Fessenheim 1956 war Neuenburg von der Großschifffahrt abgeschnitten. Diese verkehrt seither durch den Rheinseitenkanal auf französischem Hoheitsgebiet. Grand Canal d`Alsace, Rheinseitenkanal bei Neuenburg/Chalampé. Mit dem Bau der Staustufe Fessenheim 1956 war Neuenburg von der Großschifffahrt abgeschnitten. Diese verkehrt seither durch den Rheinseitenkanal auf französischem Hoheitsgebiet.

Durch das Stauwehr bei Märkt wird der Rhein aufgestaut und rund 1.400 bis 1.500 m³/s in den auf französischem Hoheitsgebiet parallel zum Restrhein gelegenen Rheinseitenkanal abgeleitet. Der Rheinseitenkanal hat mit 80 m Sohlenbreite, 12 m Wassertiefe und einer Wasserspiegelbreite von 152 m einen beachtlichen Querschnitt, der größer als der des Suez- oder Panamakanals ist.

Entgegen der ursprünglichen Planung wurden nur die vier Staustufen in Kembs (1932), Ottmarsheim (1952), Fessenheim (1956) und zuletzt Vogelgrün (1959) bis Breisach verwirklicht. Die Staustufen wurden jeweils mit einem Kraftwerk mit einer gesamten Leistungsfähigkeit aller vier Kraftwerke von rd. 3,6 Mrd. kWh und jeweils einer Doppelschleuse ausgerüstet.

Der weitere Ausbau wurde zurückgestellt, da die geringe Restwassermenge im Rheinbett zu einem deutlichen Absinken der Grundwasserstände mit Vegetationsschäden in den anliegenden Gebieten führte und zudem der örtliche Handel auf deutschem Ufer durch die Verlegung der Rheinschifffahrt in den Seitenkanal zum Erliegen kam. Somit wurden unermessliche Folgen für die Wasser- und Forstwirtschaft und Fischerei bis zum Fuße des Schwarzwaldes verhindert.

Um diesen Problemen entgegenzuwirken, wurde bereits 1955 in einer deutsch-französischen Studienkommission der Vorschlag erarbeitet, den Rhein nur in kurzen Teilkanalstücken den Kraftwerken zuzuleiten und danach wieder dem ursprünglichen Rheinbett zuzuführen. Aus diesem Grund erfolgte der weitere Rheinausbau unterhalb von Breisach mit der sog. Schlingenlösung.

Die Schlingenlösung

Die Ergebnisse der Studienkommission waren Grundlage für den deutsch-französischen Vertrag von 1956 über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg, dem sog. Luxemburger Abkommen der im Zusammenhang mit der Rückgliederung des Saarlandes und der Moselkanalisierung stand. Darin verzichtete Frankreich auf den Weiterbau eines durchgehenden Seitenkanals über Breisach bis Straßburg. Die Vertragspartner einigten sich auf den weiteren Ausbau des Rheins in der so bezeichneten "Schlingenlösung", in der die vier Stauhaltungen Marckolsheim (1961), Rhinau (1963), Gerstheim (1967) und Straßburg (1970) gebaut wurden.

Jede der Stauhaltungen ist danach so konzipiert, dass im Rheinbett ein Stauwehr den Fluss in den oberhalb des Wehres abzweigenden Kraftwerks- und Schifffahrtskanal der Staustufe ableitet. Die Rückführung des Flusses nach der Staustufe erfolgt wiederum über einen kurzen Seitenkanal. Unterhalb der Wehre wurden im Rheinbett feste Schwellen gebaut, um die Wasserstände im Mittel auf ihrer ursprünglichen Höhe zu halten.

Die Stufe Gerstheim (1967 fertig) ist eine Stufe der Schlingenlösung. Staustufe Gerstheim / Rhein Die Stufe Gerstheim (1967 fertig) ist eine Stufe der Schlingenlösung. Wehr und Absperrdamm befinden sich auf deutscher Seite im Rhein (Bildmitte rechts) bei Schwanau. Nach Norden anschließend kann man die beiden festen Schwellen erkennen. Kraftwerk und Schleuse auf französischer Seite (oben links) mit Blickrichtung Norden.

Die zusätzlich von der Bundesrepublik Deutschland errichteten Kulturwehre in Breisach (1965) und oberhalb von Kehl (1983) dienen neben der Grundwasserstützung auch der Hochwasserrückhaltung. Neben dem Kulturwehr Breisach wurde die selbstbedienbare Einkammerschleuse für Wasserfahrzeuge errichtet mit einer Kammerlänge von 67 m und 9,05 m Breite, die das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein heute noch betreibt.